Die Stobwasser.

(Lampenindustrie.)

In Wahrheit hatten die Klempner als eigene Zunft sich aus den alten Metallkünstlern herausgebildet, um ihrerseits so wenig als möglich der Zunft zu dienen. Sie lieferten um so weniger Arbeiten, welche einen solchen Karakter hatten, je trauriger es überhaupt mit aller Kunst und allem Kunsthandwerk in Deutschland wurde. Selbst in den Lampen, die der Phantasie und Geschicklichkeit ein reiches Feld boten, zeigte sich die gemeine Dürftigkeit und Geschmacklosigkeit der deutschen Klempnerei, in der sie sich fortbewegte. Schöne Vorbilder, wie sie Italien in Masse und seit alten Zeiten bot, waren entweder unbekannt, oder wurden als Arbeiten angesehen, die sich ein deutscher Klempner nicht erlauben dürfe. Solche schlanken römischen Lampen von glänzendem Messing mit Flammenschnäbeln und zierlichem Kettengehänge, wie sie in der einfachsten Haushaltung der Italiener vorhanden waren, erschienen als fürstlicher Luxus gegenüber den hässlichen, plumpen Blechlampen, in deren trübem Schein deutsche Gelehrte wie deutsche Hausfrauen ihre Arbeiten des Abends verrichteten.

Erst im zweiten Viertel dieses Jahrhunderts wurde es damit etwas anders und zeigten sich die Anfänge eines künstlerischen Bestrebens in der Lampenfabrikation, mit welcher auch eine Verbesserung der Leuchtkraft Hand in Hand ging. Der Glascylinder kam auf, die Schiebe= oder Astrallampe, dann der sogenannte Moderateur, bis der Gebrauch des Petroleum eine große Lampenrevolution hervorrief und alle Fabrikanten solcher Beleuchtungsmittel in Wetteifer über eine möglichst praktische und kunstvolle Form geriethen.

Wohl das erste große Geschäft in feineren Lampen, jedenfalls in Berlin, war das Stobwassersche. Es hatte, ehe es zu einer so rühmlichen Bedeutung für diesen Theil der Klempnerei gelangte, schon eine achtungswerthe Geschichte als Lackirfabrik hinter sich. Johann Heinrich Stobwasser begründete dieselbe 1763 in Braunschweig. Er war der Sohn eines Lackirers in Lobenstein, wohin die Familie, welche eigentlich Stobwasser von Treuenfeld hieß, 1620 nach der Schlacht am weißen Berge aus Böhmen geflohen war, um den Verfolgungen der kaiserlichen gegen die lutherisch gesinnten Oesterreicher zu entgehen. In Braunschweig unterstützte der Herzog den geschickten Handwerksmann, indem er ihm ein Haus für seine Lackirerei anwies und ihn vielfach beschäftigte. Schnell wuchs der Umfang der Fabrik und ihre Leistungen erhielten Ruf. Als Stobwasser 1768 in Berlin war, um dort einige Staatswagen zu lackiren, suchten hochstehende Personen ihn zu bestimmen, sich dauernd in der preußischen Hauptstadt niederzulassen. Er ging insofern darauf ein, daß er seinen Schwager Guerin bewog, in Berlin eine Lackirfabrik nach dem Muster der braunschweigischen zu errichten. Der König gab dazu ein Grundstück in der Wilhelmstraße her und überließ es nach zehnjährigem Bestehen des von ihm geförderten Geschäfts der Stobwasser’schen Familie als Eigenthum. Im Jahre 1797 übernahm das braunschweig’sche Haupt derselben diese Berliner Fabrik, welcher Friedrich Wilhelm III eine besondere koncession ertheilte.

Der alte Stobwasser hatte einen Sohn, Christian Heinrich, der Theologie studierte. Das neue, vielfach bewegte Geschäftsleben seines Vaters in Berlin gewann indessen so viel Reiz für ihn, daß er die Theologie aussteckte und sich mit Eifer den Aufgaben der Lackirerei von Blech und Zinn widmete, womit noch eine Bronzewaren=Fabrikation verbunden wurde. Im Jahre 1810 übernahm er das ganze Geschäft, von dem sich der Begründer zurückzog, um aber noch das hohe Alter von neunzig Jahren zu erreichen und erst 1829 aus dem Leben zu scheiden.

Unter Christian Heinrich Stobwasser erhielt die Berliner Fabrik, neben welcher die braunschweiger noch weiterbestand, ihre höchste Blüthe. Ihre Arbeiten in lackirten Blechwaaren, und auch schon in Lampen, waren den Parisern ebenbürtig. Aber der Leiter des Unternehmens war mehr Künstler als Geschäftsmann und mißachtete die Nebenbuhlerschaften anderer, nun erstehender Lackirfabriken, welche die seinige auf den Märkten dann auch überflügelten. Seine Söhne sollten das Geschäft daher gar nicht mehr fortführen; er ließ sie anderen Beruf ergreifen.

Der Zufall wollte es aber, daß sein zweiter Sohn Gustav in die Thätigkeit der Fabrik gezogen wurde. Er hatte sich unter Professor Wach und auf der Düsseldorfer Akademie zum Maler gebildet und kam eben, 1840, von da zurück, als sein Vater und ebenso der Werkführer der Fabrik plötzlich erkrankten. Wohl oder übel mußte der Sohn nun die Leitung des Geschäfts vertreten. Dadurch gewann er Geschmack an der Sache, und wie einst sein Vater die Theologie an den Nagel hing, um Fabrikant zu werden, so gab er gleichen Zwecks wegen die Laufbahn des Künstlers auf. Er trat in’s Geschäft als neue, rührige und kunstliebende Kraft, die sich vor Allem in der Herstellung der Lampen und Bronzewaaren bethätigte. Im Jahre 1849 starb Christian Heinrich, und Gustav Stobwasser entwickelte darnach allein seine umsichtige Leistungsfähigkeit, welche die Fabrik in Bezug auf Güte und Geschmack ihrer Erzeugnisse im ersten Range erhielt und sie zur bedeutendsten in der Lampenindustrie Deutschlands werden ließ.

Seine wetteifernsten Nebenbuhler in Berlin wurden Wild und Wessel, zwei gelernte Klempner und Beide in Schweidnitz um die gleiche Zeit geboren. Beide, ohne daß sie sich kannten, gingen 1844 in die Fremde. Wild streifte bis nach Kopenhagen, dann nach Wien, nach Italien und durch die Schweiz nach Paris. Wessel wanderte durch Deutschland dem Rhein zu, nach Brüssel und dann ebenfalls nach Paris. Bei Noel Bosselut, einem der ersten Pariser Moderateurlampen=Fabrikanten, traten sie in Arbeit und lernten sich dadurch kennen. Zwei deutsche Gesellen aus derselben Stadt und deren Wege hier auf einmal in gemeinsamer Werkstatt sich begegneten. Sie schlossen Freundschaft mit einander und theilten sich ihre Erfahrungen, ihre Ansichten über das Handwerk, ihre Wünsche und Pläne für das Leben mit. Darüber kamen sie zu dem Entschluß, in Berlin ein feines Lampengeschäft anzufangen, welches bei dem Aufschwung im Beleuchtungswesen, wie des Berliner Lebens, geschickten Klempnern lohnenden Erfolg versprach. Am 1. Juli 1855 eröffneten sie dies Geschäft mit zwei Arbeitern. Ihre Hoffnungen täuschten sie nicht; sie lieferten vortreffliche Arbeit in Mustern feineren Geschmacks, gaben den Einrichtungen der Lampen, der Brenner besonders, Verbesserungen. Ihre Artikel eroberten sich den Markt bis nach England, ihre Werkstätten vergrößerten sich und beschäftigten mehr als hundert Arbeiter. Sie erwarben sich eine Glasfabrik in Wiesau in Schlesien für Herstellung ihrer Cylinder und Schirme, Glocken und Oelkästen. Ihre glänzenden Erfolge haben sie ihrem Fleiß, ihrem künstlerischen Streben im Handwerk und dem Verständniß für die erhöhten Ansprüche zu danken, welche heut wieder die Gesellschaft hinsichtlich aller nothwendigen und unentbehrlichen Dinge der Häuslichkeit erhebt und die zu fördern die Bedingungen des Fortschritts im Handwerk in sich schließt.

Unerwähnt möge hierbei auch nicht ein ebenfalls sehr strebsamer Klempner, Gustav Hoppe, sein, welcher noch vor Wild und Wessel in Berlin durch seine Astrallampen sich Ruf erwarb. Ebenso in Leipzig der Meister Leuthier, welcher sich durch seine Laternen und Lampen für den Eisenbahndienst rühmlich auszeichnete. Leipziger Klempner waren überhaupt schon in den vierziger Jahren an der Spitze der neu aufgekommenen Lampenindustrie, so Hoffmann, und sein Nachfolger Heise, wie denn auch in anderen Blecharbeiten sich die Wilhelmy und der „trinkbare" Meister Sauerland hervorgethan haben, als die Klempnerei sich auf eine höhere Stufe zu erheben strebte.


Aus: Eduard Schmidt-Weißenfels: - Zwölf Klempner. Biographisch-novellistische Bilder. Berlin, Abenheim o. J. [1882]

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