Technische Versammlung


des

Vereins der Spiritus-Fabrikanten in Deutschland


(Öffentliche Versammlung)
(zweiter Tag)
Sonnabend, den 24. Februar 1912)
vormittags 10 Uhr,
im Künstlerhause, Berlin W.9, Bellevuestr. 3.

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Den Vorsitz führt der stellvertretende Vorsitzende des Vereins der Spiritus-Fabrikanten in Deutschland, Rittergutsbesitzer von Oppenfeld-Reinfeld.


Vorsitzender: Ich eröffne die zweite Sitzung des Vereins der Spiritus-Fabrikanten, die sich lediglich auf technische Angelegenheiten bezieht. Wir treten unmittelbar in die Tagesordnung ein.


Erster Gegenstand der Tagesordnung:

Neue Erfindungen auf dem Gebiet der technischen Verwertung des Spiritus, mit Demonstrationen.


Referent ist Herr Professor Mohr; ich erteile ihm das Wort.

Berichterstatter Professor Dr. O. Mohr-Berlin:

"Meine sehr geehrten Herren! Die Tagesordnungen der technischen Versammlungen des Vereins der Spiritus-Fabrikanten galten in den letzten Jahren in erster Linie den Betriebsänderungen, die infolge des Inkrafttretens des neuen Branntweinsteuergesetzes notwendig geworden waren, und auch die heutige Tagesordnung knüpft mit den Punkten 2 und 3 an die letztjährigen Tagesordnungen an, indem sie wiederum die Verwertung der abfallenden Schlempe und Hefe als Futtermittel zum Gegenstand eines Berichtes haben wird, und weiter Gelegenheit zu einer Aussprache über Betriebserfahrungen geben wird, wie sie die ungewöhnlichen Verhältnisse der verflossenen Kampagne zu sammeln gestatten. Es erscheint aber nun auch wieder einmal am Platze, nicht nur der Fabrikation, sondern auch der Verwendung des Spiritus zu gedenken, und so möchte ich mir erlauben, in kurzen Zügen über einige neuere Erfindungen auf dem Gebiete der technischen Verwertung des Spiritus zu berichten. Es wird sich dabei in erster Linie um diejenigen Fortschritte handeln, welche die Spiritusfachapparate und die Spirituslampen gemacht haben, ist doch von dem steuerfrei abgelassenen Branntwein bei weitem die Hauptmenge der vollständig vergällte, und dessen größtes Verwendungsgebiet ist eben Licht- und Wärmeerzeugung. Die Erwartungen, die sich an die Verwertung von Spiritus als Kraftquelle geknüpft hatten, haben sich insofern nicht erfüllt, als ein stark gesteigerter Verbrauch von Spiritus für diese Zwecke nicht eingetreten ist. Die Schuld hierfür liegt aber nicht etwa daran, daß der Spiritus dieser Aufgabe nicht gewachsen wäre, es war vielmehr der ungewöhnliche Tiefstand der Preise für andere flüssige Motortriebstoffe, Benzin, Benzol, die einen erfolgreichen Wettbewerb des Spiritus fast bis zur Unmöglichkeit erschwerten. Zurzeit scheinen allerdings eigenartige Erscheinungen, namentlich auf dem Benzolmarkt aufzutreten, die es angezeigt erscheinen lassen, den Gang der Dinge mit ernster Aufmerksamkeit zu verfolgen. Innerhalb weniger Jahre ist der Benzolpreis auf mehr als das Doppelte gestiegen, und die Benzol-Verkaufs-Vereinigung macht Schwierigkeiten mit dem Abschluß langfristiger großer Abschlüsse, weil große Knappheit an Ware zu befürchten sei. Auch die Benzinpreise haben ganz erhebliche Steigerungen erfahren, so daß eine Konkurrenzfähigkeit des Spiritus mit diesen thermisch so viel höherwertigen Brennstoffen wieder in den Bereich der Möglichkeiten gerückt ist, namentlich, wenn der Spiritus in Mischung mit diesen Kohlenwasserstoffen zur Verwendung gelangt. Arbeiten im Institut für Gärungsgewerbe haben ergeben, das namentlich eine Mischung von ungefähr 50 Raumteilen Spiritus mit je 25 Raumteilen Benzin und Benzol mit ausgezeichnetem Erfolge auch in Automobilmotoren verwendbar ist.

Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß, falls die hohen Preise für Benzol und Benzin nicht eine vorübergehende Erscheinung bleiben, der Spiritus wiederum als Motortreibmittel eine größere Rolle als jetzt wird spielen können. Allerdings ist für diese Zwecke ein niedriger Preisstand des Spiritus gegenüber den hohen Verbrennungswärmen der Kohlenwasserstoffe auszugleichen.

Eine weitere Verwendungsart des technischen Spiritus ist bekanntlich diejenige in der chemischen Industrie; für die Spiritusmengen, die für diese Zwecke verwendet werden, sind die Zahlen über den Verbrauch an unvollständig vergälltem Branntwein ein Maßstab. Diese Zahlen für die letzten fünf Jahre zeigen bis zum Inkrafttreten des neuen Branntweinsteuergesetzes eine ziemlich konstante Höhe - 460.000 bis 490.000 hl - auf die mit dem Zeitpunkte des Inkrafttretens des Gesetzes ein ziemlich starker Abfall (um rund 80.000 hl) folgt. Es ergibt sich hieraus einmal, daß die chemische Industrie in stärkerem Maße vollständig vergällten Spiritus benutzen muß, weiter aber, daß in den letztverflossenen Jahren keine neuen Industriezweige mit starkem Spirituskonsum sich entwickelt haben. Immerhin sind aber auch auf diesem Gebiet Entdeckungen und Erfindungen gemacht worden, deren Ausbau unter Umständen einen verstärkten Spiritusverbrauch verursachen kann. Ich möchte nach dieser Richtung hin auf eine Anzahl Patente hinweisen, welche die Oxidation von Alkohol zu Essigsäure durch den elektrischen Strom zum Gegenstand haben. Ob diese Verfahren praktische Bedeutung werden gewinnen können, dürfte in erster Linie davon abhängen, ob der elektrische Strom billig genug geliefert werden kann. Für die Spiritusindustrie würde diese Art der Essigfabrikation einen erfreulichen Gewinn bedeuten, da die so gewonnene Essigsäure nicht den schon jetzt in der Hauptsache aus Alkohol gewonnenen Gärungsessig ersetzen, sondern in Wettbewerb mit der Holzessigsäure treten soll.

Wie schon eingangs gesagt, liegt der Schwerpunkt der Verwendung des technischen Spiritus in der Benutzung zu Heiz- und Beleuchtungszwecken, und wenn der Verbrauch an vollständig vergälltem Spiritus die stattliche Menge von mehr als eine Million Hektoliter r. A. erreicht hat, so liegt die Ursache dafür zum Teil in der großartigen Organisation des Vertriebs durch die Spiritus-Zentrale, zum Teil aber auch in den außerordentlichen Fortschritten in der Konstruktion der Heizapparate und Lampen. Einige typische Apparate aus älterer und neuerer bis neuester Zeit mögen zur Veranschaulichung dieser Fortschritte dienen.

Zunächst ein paar Worte über Kochapparate. Der größte Fortschritt bestand hier mit Verlassen der Apparate, in denen der Spiritus direkt als Flüssigkeit verbrannt wurde. Der Typus dieser Kocher dürfte noch unvergessen sein: eine flache Schale, durch deren Boden eine größere Anzahl von Rohren bis in die Nähe des oberen Schalenrandes führte. Der in die Schale gegossene Spiritus wurde entzündet, die Rohre führten die zur Verbrennung nötige Luft der Flamme zu. Die Leistungen dieser Kocher, die sich immerhin eine ziemliche Verbreitung zu verschaffen vermochten, waren sehr mäßige, einmal was die Kochleistung, die Wärmeausnutzung, anlangte, dann aber hatten sie den großen Nachteil recht erheblich zu riechen. Sowohl beim Brennen als auch nach dem Verlöschen beim Stehen.

Das wesentliche der modernen Kocher ist, daß sie sämtlich Spiritusgaskocher sind, d.h. daß der Brennstoff zunächst vergast wird, ehe er, mit Luft gemischt, zur Verbrennung gelangt. Der Vorzug derartiger Kocher liegt einmal darin, daß die Wärmeausnutzung eine sehr viel günstigere wird - der Wirkungsgrad solcher Kocher überschreitet häufig 50 pCt. - , weiter lassen sich derartige Kocher in viel größeren Abmessungen herstellen, so daß sie viel weitergehend im Haushalt verwendet werden können. Als Typus eines solchen größeren Spiritusgaskochers, der eine weite Verbreitung gefunden hat, möchte ich den Brillant-Brenner anführen. Sind nun auch die Leistungen dieses Brenners recht gute, so machten sich doch noch nach manchen Richtungen hin Verbesserungen wünschenswert. Der Spirituszulauf aus dem hoch gelagerten Bassin wird geöffnet oder geschlossen durch ein Ventil, nach dessen Öffnung auch der zum Inbetriebsetzen des Kochers erforderliche Anheizspiritus aus dem Bassin in die Anheizschale fließt. Der Nachteil dieser Brenner besteht in erster Linie darin, daß bei zu langem Offenlassen des Ventils beim Anzünden des Brenners zuviel Spiritus in die Anheizschale fließt. Ein Brennersystem, das diesen Nachteil vermeidet, ist z. B. der Rustikusbrenner, der ein tiefer gelegenes Spiritusbassin besitzt, derartige Brenner müssen natürlich den erforderlichen Spiritus durch Dochte nach dem Brennerende fördern. Dochte, die natürlich nach längerer Benutzung unbrauchbar werden und der Auswechslung bedürfen. Ein Brenner, der eben aus den Versuchsstadien heraus ist und mit dessen Fabrikation nun im großen begonnen wird, vermeidet die Nachteile beider älterer Kochertypen. Ich verdanke die Möglichkeit, Ihnen diesen wie eine Reihe weiterer charakteristischer Spiritusapparate neuester Konstruktion vorführen zu können, dem liebenswürdigem Entgegenkommen der Technischen Abteilung der Spirituszentrale, der ich auch an dieser Stelle dafür noch verbindlichst danken möchte. Bei diesem neuesten Brenner, der zur Zeit noch nicht im Handel zu haben ist, der aber bald in den Preislisten der Spiritus-Zentrale erscheinen wird, ist der Spiritusbehälter seitlich an den Herd angebracht. Von dem Behälter geht ein zweimal rechtwinklig gebogenes Flüssigkeits- bzw. Gasableitungsrohr ab, dessen senkrechter Mittelteil den Vergaser bildet und dessen zweiter wagerechter Teil die Spiritusdämpfe nach der dem Bassin entgegengesetzten Seite des Herdes führt. Dieser Rohrteil liegt höher als der höchstmögliche Stand des Brennstoffspiegels im Behälter, so daß auch bei offen stehendem Ventil des außer Betrieb befindlichen Apparates ein Überfließen oder Ausfließen von Spiritus ganz ausgeschlossen ist. Dochte fehlen natürlich in dem Brenner, da der Spiritus dem Vergaser durch eigenen Druck zufließt, der Vergaser selbst enthält eine leicht reinigbare bzw. auswechselbare Metallpackung als Filter.

Bemerkenswert sind ferner die Fortschritte, die wir an der Konstruktion der Spiritusbügeleisen beobachten können. Hier hat der Vergaser einfach die Form eines am abhängbaren Spiritusbehälter angebrachten Rohres, in den ein sehr leicht auswechselbarer Docht den Spiritus leitet. An diesem Vergaser ist ein durchlochtes Metallstück angebracht, das ins Innere des Eisens führt und dort durch die Flammenwärme die zur Vergasung erforderliche Wärme aufnimmt. Eine mittels Scheibe verschiebbare Platte gestattet, den Flammengasen den Zutritt zur Vergasereinrichtung in verschiedener Menge zu gewähren. Man erreicht durch diese Einrichtung eine weitgehende Regulierbarkeit des Eisens.

Zu erwähnen ist noch, daß eine Sperrvorrichtung das Nachfüllen von Spiritus unmöglich macht, solange das Eisen in Betrieb ist. Auch dieses Bügeleisen ist noch nicht im Handel zu haben, sondern befindet sich in der Fabrikation.

Mit den geschilderten Anwendungen des Spiritus zu Heizzwecken sind die Möglichkeiten der Anwendung nach dieser Richtung hin nicht erschöpft, um noch einige weitere Neuerungen vorzuführen, möchte ich auf einen Back- und Bratofen hinweisen, der dadurch, daß die Haube abnehmbar gestaltet worden ist, einer vielseitigeren Benutzung fähig geworden ist, er kann ebenso gut als einflammiger oder zweiflammiger Herdofen benutzt werden. Eine weitere hübsche Neuerung ist ein Warmwasserbereitungsapparat, der aus einer Kombination aus Metallheizkessel und Glaswasserbehälter besteht und der in sehr kurzer Zeit kleinere Mengen heißen Wassers zu liefern vermag.

Von besonderem Interesse ist die Entwicklung der Spirituslampen, die gerade in den letztvergangenen Jahren zu recht erfreulichen Ergebnissen geführt hat. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, daß die Spiritusbeleuchtung eigentlich der Vorläufer der heutigen Gasbeleuchtung ist, daß bereits im Jahre 1847 eine als Lunar- und Solarlampe bezeichnete Spirituslampe auftauchte, bei der die nicht leuchtende Spiritusflamme durch einen darüber gestülpten Kegel von "mineralisiertem" Gewebe - das Mineralisieren geschah durch Tränken mit Kalksalzlösungen - zum Leuchten gebracht wurde. Diese Idee, Licht durch Erhitzen von Mineralsubstanzen zu erzeugen, hat dann bekanntlich durch Auer von Welsbach eine glänzende Ausgestaltung erfahren, sie hat in der Auerschen Gestaltung unser ganzes Beleuchtungswesen von Grund auf reformiert, sie ist auch die Grundlage geworden, auf der sich die Spiritusbeleuchtung zu der Höhe entwickelt hat, deren wir uns heute erfreuen können. Ich brauche auf die Anfangsstadien dieser zweiten und erfolgreicheren Entwicklung der Spirituslampen nicht näher einzugehen, bei denen abermals ein "mineralisiertes Gewebe" durch die Wärme des verbrennenden Spiritus zum hellen Leuchten gebracht wird, bei denen aber diese Mineralstoffe nicht mehr ungenügend wirksame Kalksalze sind, sondern aus einem Gemisch von Thorium- und Ceroxyd bestehen. Es mag nur kurz erwähnt sein, daß alle Versuche, eine Dochtlampe zu schaffen, d.h. eine Lampe, bei der der Brennstoff direkt am hochsaugenden Docht zum Brennen gebracht wird, fehlgeschlagen sind. Ungenügende Lichtentwicklung und sehr hoher Spiritusverbrauch haben es trotz der Riesenreklame, die gerade für die schlechtesten dieser Lampen gemacht wurde, zu einer nennenswerten Verbreitung der Dochtlampen nicht kommen lassen. Es ergab sich eigentlich gleich von allem Anfang an, daß nur Spiritusdampflampen Aussicht auf Erfolg haben könnten, und fast von dem Auftreten der ersten brauchbaren Lampentypen an - Mitte der 90er Jahre vorigen Jahrhunderts - erscheinen zwei Lampensysteme auf dem Markt, die das Problem, den flüssigen Spiritus in Spiritusgas überzuführen, auf zwei prinzipiell verschiedenen Wegen zu lösen versuchen: der eine Lampentyp ist die Lampe mit Hilfsflamme, bei der eine durch besonderen Docht gespeiste kleine Hilfsflamme den Vergaser beheizt, in den die eigentlichen Lampendochte den Spiritus fördern; der andere Typ ist die Rückleiterlampe, bei der der Glühkörper an einem starken, zentralen Kupferstift, dem Rückleiter, aufgehängt ist. Die Flammenwärme wird in genügendem Maße von diesem auf dem Vergaser sitzenden Rückleiter aufgenommen und nach dem Vergaser hingeleitet, wo sie den durch Dochte hochgesaugten Spiritus in Dampfform verwandelt. Einige Jahre lang haben beide Lampentypen miteinander rivalisiert, das Erscheinen des Amorbrenners auf dem Markt bedeutete den endgültigen Sieg der Rückleiterlampen über die Brenner mit Hilfsflamme. Nach den großen Erfolgen dieses Brenners erschienen zahlreiche andere Systeme von Rückleiterlampen auf der Bildfläche, die zum Teil auch wirkliche konstruktive Fortschritte aufwiesen. Ohne zu weit in die Einzelheiten gehen zu wollen, will ich nur darauf hinweisen, daß die Form der Düsen, besonders ferner die Form des Rückleiters, des Mischrohres, in dem sich der der Düse entströmende Spiritusdampf mit der angesaugten Luft mischt, in diesen späteren Rückleiterlampen mannigfache Abänderungen erfahren haben, durch die die Leistungen der Lampen immer mehr gesteigert wurden. Als derjenige Lampentyp, der zurzeit wohl die beste durchkonstruierte Rückleiterlampe darstellt, mag der H.S.-Brenner genannt sein. Ein Vergleich der Leistungen dieses Brenners mit alten Rückleiterlampen ist der beste Maßstab des Fortschrittes, den die Fabrikation der Spiritusbrenner gemacht hat. Zunächst spielen Lichtentwicklung und Spiritusverbrauch für die Beurteilung einer Lampe ja eine Hauptrolle. Nicht so sehr die absolute Lichtstärke und der absolute Brennstoffverbrauch. Es ist ohne weiteres klar, daß eine lichtstarke Lampe auch verhältnismäßig großen Brennstoffverbrauch haben muß. Viel wichtiger ist als Maßstab der Güte einer Lampe der relative Brennstoffverbrauch, d.h. die Menge Brennstoff, welche zur Erzielung einer bestimmten Lichtmenge während einer Stunde verbraucht wird. Nach dieser Richtung können wir feststellen, daß der Spiritusverbrauch für 10 Hefnerkerzenstunden bei diesen Lampen beinahe auf der Hälfte derjenigen Spiritusmenge angelangt ist, welche die erste brauchbare Rückleiterlampe, die Phoebuslampe, verbraucht hatte, von reichlich 30 ccm Spiritus auf 15-20 ccm. Dieser Rückgang ist nicht sprungweise erfolgt, er verteilt sich ziemlich gleichmäßig auf den etwas über zehn Jahre betragenden Zeitraum, seit wir marktfähige Rückleiterlampen kennen.

Weitere nicht zu unterschätzende Fortschritte liegen in der außerordentlich gesteigerten Lebensdauer und Betriebssicherheit der Lampen. Bei den Dauerprüfungen, welche die Spiritus-Zentrale im Institut für Gärungsgewerbe an Spirituslampen durchführen läßt, beschied man sich ursprünglich mit einer Versuchsdauer von 300 Brennstunden, und nicht alle Exemplare einer Versuchsreihe von Lampen erlebten das Ende derartig kurzer Versuche. Namentlich waren es die Dochte, die nach kurzer Zeit die Saugfähigkeit verloren und somit die Lampe zunächst außer Betrieb setzten. Wie sich aus unseren Versuchen ergab, teils wegen der früher üblichen Verwendung zu geringprozentigen Spiritus - daher seitdem die allgemeine Verwendung 95prozentigen Spiritus für Lampen -, teils wegen ungeeigneten Dochtmaterials. Weiter zeigte das Kupfer der Rückleiter längere Zeit die bedenkliche Neigung zu zerbröckeln. Das Unheil begann mit Verußen der Rückleiter, beim Entfernen des Rußes zeigte sich der Kupfer stark angegriffen, und nach kürzerer oder längerer Zeit war der Rückleiter soweit zerstört, daß er seine Aufgabe als Glühkörperträger nicht mehr erfüllen konnte, die Lampe war erledigt. Nach dieser Richtung ist durch Verwendung nur allerreinsten Kupfers und sorgfältiger Regelung der Luftzufuhr zum Spiritusdampf Wandel geschaffen worden. Allmählich konnten die Anforderungen hinsichtlich der durchzuhaltenden Brenndauer beträchtlich erhöht werden. Zurzeit muß eine Lampe mindestens 1000 Brennstunden aushalten, ohne daß sich eine Dochterneuerung erforderlich macht, bei Versuchsreihen aus neuester Zeit konnte eine Brenndauer von 2000 Brennstunden überschritten werden, ohne daß die Lichtstärke der Lampen soweit gesunken wäre, daß sie aus diesem Grunde hätten gelöscht werden müssen. Bei einzelnen Lampen wurden gelegentlich auch 3000 Brennstunden erreicht. Ganz besonders möchte ich betonen, daß im Gegensatz zu früheren Lampensystemen, bei den moderen Lampen, wie eben bei den erwähnten H.S.-Brennern, alle verschmutzbaren und abnutzbaren Teile leicht zugängig bzw. leicht auswechselbar gestaltet sind, so daß auch der Laie imstande ist, die Lampe nach eingetretenem stärkeren Rückgang in den Leistungen wieder betriebsfähig zu machen.

Ich möchte nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß an dieser konstruktiven Entwicklung der Lampen die D.S.G. (Deutsche Spiritus Gesellschaft) einen beträchtlichen Anteil hat. In ihren wiederholten Preisausschreiben für Spirituslampen war stets als für die Beurteilung der Lampen mit maßgebend angegeben, daß alle abnutzbaren Teile leicht zugängig und ersetzbar sein müßten.

Die Rückleiterlampen, deren Entwicklung in großen Zügen wir oben kennen gelernt haben, sollen hauptsächlich zur Innenbeleuchtung dienen, was natürlich nicht hindert, daß man sie auch in Laternengehäuse setzen und zur Außenbeleuchtung verwenden kann. Aber für diese letzteren Zwecke dienen in erster Linie die sog. Außenlampen, die meist höhere Lichtstärken entwickeln als die Tischlampen. Schon sehr früh, nur wenig später als die ersten Tischlampen, erschienen derartige Außenlampen auf dem Markt. Bei ihnen ist der Spiritusbehälter hoch gelagert, so daß der Brennstoff durch eigene Schwere in einem Fallrohr nach unten fließen kann, das dann in ein im Lampenschornstein liegendes, als Vergaser bezeichnetes weiteres Rohr übergeht. Zu diesem wird durch die Hitze der darunter brennenden Flamme der zulaufende Spiritus vergast, das Gas strömt durch ein Dampfrohr zur Brennerdüse. Diese bläst in ein Mischrohr, in dem sich der Dampf mit Luft mischt und das in den aufrechtstehenden Brennertopf endet. Den ersten, in ihren Leistungen noch recht wenig zufriedenstellenden Außenlampen folgten zahlreiche weitere Typen, die sämtlich im Grunde nach dem geschilderten Schema konstruiert waren, bei denen sich aber ähnlich wie bei den Rückleiterlampen, infolge immer besserer Durchkonstruktion und Abmessungen der Einzelteile, Betriebssicherheit und Leistungsfähigkeit immer weiter steigerten. Und doch sind diese Lampen, von denen als letzter recht brauchbarer Vertreter die lichtstarke Säkularlampe genannt werden mag, sehr stark zurückgedrängt worden durch einen neuen Lampentyp, der in schüchternen Anfängen um die Mitte des verflossenen Jahrzehnts in Erscheinung trat, es waren dies Spiritus-Invertlampen, d.h. Spiritusglühlichtlampen mit hängendem Glühkörper. Die Anwendung des Invertprinzips, das in der Gasbeleuchtung so ungemein große Erfolge erzielt hatte, auf die Spiritusbeleuchtung, stieß auf erhebliche Schwierigkeiten, deren eine sehr wesentliche in der passenden Lagerung der Düse und des Mischrohres bestand, in das die Düse bläst und in dem die Mischung des Spiritusdampfes mit der erforderlichen Frischluft erfolgt. Diese Lampenteile müssen so angeordnet sein, daß ein Zutritt von Verbrennungsgasen ausgeschlossen ist. Nach vielfachen Versuchen hat sich dann der Typ von Invertlampen herausgebildet, der bei fast allen auf dem Markt befindlichen Lampen wiederkehrt, der aber natürlich in Einzelheiten manche Variation zulässt, die für die besseren oder weniger guten Leistungen der Lampen von Bedeutung ist: Vom hochgelegenen Spiritusbehälter führt ein Fallrohr nach dem horizontal im Schornstein gelegenen Vergaser, der eine leicht auswechselbare Filterpackung enthält. Der Vergaser setzt sich dann fort in ein im Schornstein aufsteigendes Dampfrohr, das im obersten Teil des Schornsteins nach unten umwendet und in der zentral im Schornstein gelagerten Düse endet. Diese sitzt im Mischrohr, zu dem frische Luft von außen durch eine Aussparung oder Durchbrechung der Schornsteinwand nach außen Zutritt hat. Gegen die im Schornstein aufsteigenden Verbrennungsgase ist diese Luftkammer vollständig abgeschlossen. Als letzte Neuerung auf dem Gebiete der Invertlampen sind Inverttischlampen zu nennen, die im Gegensatz zu den eben geschilderten Inverttypen einen Docht besitzen, der die Aufgabe hat, den Spiritus dem Vergaser zuzuführen. Daß dieser Docht, der nur sehr mäßige Erwärmung erfährt, und der, nebenbei gesagt, sehr leicht auswechselbar ist, sich im Betrieb kaum abnutzt, zeigt die hier vorgeführte Lampe, die jetzt bereits eine Brenndauer von mehr als 2000 Brennstunden hinter sich hat, ohne daß sie sich in ihren Leistungen wesentlich geändert hätte.

Neben einflammigen Invertlampen sind auch zwei- und dreiflammige auf dem Markt erschienen, ganz so wie auch zwei- und dreiflammige Gasinvertlampen existieren. Die große Verbreitung, welche sich die einflammigen Invertlampen rasch verschaffen konnten, werden diese mehrflammigen Lampen wohl nicht erlangen können, sie bedürfen sehr sorgfältiger Wartung und Reinhaltung, wenn sie gleichmäßig gut brennen sollen, während die einflammigen Lampen mit sehr wenig Wartung zufrieden sind.

Die Leistungen der Invertlampen sind, wie sich namentlich gelegentlich umfangreicher Versuche im Jahre 1909/10 bei einem Preisausschreiben der D.S.G. für Invertlampen zeigte, bei einer Anzahl Systemen sehr gute, der Spiritusverbrauch für 10 Hefnerkerzenstunden liegt meist zwischen 15-20 ccm, ja bei einigen neuen Lampen ist er auf 10-15 ccm Spiritus zurückgegangen, eine Leistung, wie sie sonst nur bei sehr lichtstarken Lampen zu beobachten war.

Damit würde ich am Ende meiner Ausführungen angelangt sein, in denen ich hoffe Ihnen gezeigt zu haben, daß auch auf diesem Gebiete ein Stillstand nicht existiert, daß vielmehr lebhafte Erfindertätigkeit immer neue Apparate oder alte Apparate in neuer Form auf den Markt geworfen hat. Manche derselben sind sang- und klanglos wieder verschwunden, eine scharfe Prüfung zeigte, daß sie den an sie zu stellenden Anforderungen nicht gewachsen waren. Aber andere bewährten sich zunächst bei den Versuchen, dann beim häuslichen Gebrauch. Gerade darin, daß nur sorgfältig nach allen Richtungen hin geprüfte Apparate durch die Spiritus-Zentrale zum Vertrieb gebracht werden, liegt die Gewähr für eine dauernde und ausgedehnte Verwendung von technischem Spiritus."

(Lebhafter Beifall.)

Vorsitzender: Ich spreche dem Herrn Referenten verbindlichen Dank für sein interessantes Referat aus und frage, ob das Wort erbeten wird. Ich bitte eventuell Fragen zu stellen, die der Herr Referent noch beantworten wird.

Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Delbrück-Berlin: Ich konnte gestern mitteilen, daß der Verbrauch pro Hefnerkerze bei den Spiritus-Invertlampen halb so groß ist, wie beim Petroleum. Herr Professor Mohr, das ist doch richtig?

(Prof. Dr. Mohr-Berlin: Noch nicht einmal soviel!)

Also das Spirituslicht ist pro Lichteinheit halb so teuer als beim Petroleum. Wir wollen uns daran erinnern, daß uns früher entgegengeworfen wurde, für Petroleum würde sich der Glühstrumpf auch eignen. Das ist nicht eingetreten, es gibt keine Petroleumglühlichtlampen, die im Verkehr wirklich gebraucht werden. Der Spiritus hat, was die Sparsamkeit des Brennens angeht, das Petroleum geschlagen und das elektrische Licht auch, und wir Spiritusleute nehmen an, daß der Weg, den die Landwirtschaft jetzt gegenüber den Überlandzentralen wandelt, noch einmal bedauert werden wird.

(Bravo! und Heiterkeit!)

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Aus weiteren Vorträgen der obigen Versammlung von 1912 noch folgende Auszüge:



"...Noch einige Worte über den technischen Spiritus.
Morgen früh werden Sie Gelegenheit haben, einen technischen Vortrag über die im Zusammenarbeiten mit der Spiritus-Zentrale von uns veranlaßte Prüfung von Spirituslampen zu hören. Die Brenndauer beträgt bei einigen Lampen 3- bis 4000 Stunden, ein großartiger Erfolg!

(hört! hört!)

Die Invertlampen brauchen für 10 Hefnerkerzen 10-15 ccm Spiritus, bisher waren es 15-20 ccm, also ein bedeutender Fortschritt. Der Lichtpreis dieser Invertlampen, die auch als Tischlampen benutzt werden können, beträgt die Hälfte gegenüber dem Petroleum; er ist auch erheblich geringer als der des elektrischen Lichtes. Für die Überlandzentralen habe ich nicht die Meinung, wie sie vielfach vertreten wird; denn das Spirituslicht kostet 0,5 Pf., der elektrische Kohlenfaden 1,2 Pf. und die neue Metallfadenlampe 0,6 Pf. für 10 Hefnerkerzen pro Stunde. Also der Spiritus schlägt alle diese Beleuchtungsarten an Billigkeit, und daß es die schönste Beleuchtungsart ist, steht wohl ganz außer Zweifel.
(Lebhafter Beifall.)

... "

"... Abteilung für technische Spiritusuntersuchungen

Prüfung von Spirituslampen
Die Zahl der untersuchten Spirituslampen betrug 38, die über eine Brenndauer von über 34000 Stunden geprüft wurden. Der Spiritusverbrauch bei diesen Versuchen belief sich auf 1669 Liter reinen Alkohol. Den Systemen nach handelte es sich teils um Rückleiter-Tischlampen, teils um Invertaußenlampen. Als neue Lampentypen treten Invert-Tischlampen auf. Die Leistungen der Lampen waren durchweg sehr befriedigende. Von den Rückleiter-Tischlampen ist hervorzuheben, daß die mögliche Brennzeit ohne notwendig werdende Erneuerung von Dochten usw. wieder eine sehr erfreuliche Höhe zeigt. Bei 2000 Brennstunden ist zwar ein merkbarer Rückgang in den Leistungen zu beobachten, ohne daß aber die Grenze der Brauchbarkeit bereits erreicht wäre. Noch günstiger liegen die Verhältnisse bei einer Außen-Invertlampe, die nach 3000 Brennstunden noch fast völlig unveränderte Leistungen zeigt. Dabei waren alle Witterungserscheinungen, Sturm, sehr starke Kälte, ohne jeden Einfluß auf die Leistungen der Lampen. Vielversprechend sind auch die Leistungen der Invert-Tischlampen, die zurzeit allerdings erst 1500 Brennstunden hinter sich haben. Auch diese Lampen zeigen bislang noch keinerlei Nachlassen in den Leistungen, obgleich eine Reinigung oder Ersatz irgendwelcher Teile bisher noch nicht stattgefunden hat. Allerdings erfordern die Lampen eine sorgfältige Einregulierung der Luftzufuhr, andernfalls sinken die Leistungen, unter Umständen tritt auch Verußen der Glühkörper ein. Ausführlicher wird Berichterstatter an anderer Stelle in diesem Jahrbuch über Spirituslampen berichten. ..."


Aufgestöbert und fürs Internet aufbereitet durch Jürgen Breidenstein, STUGA-CABAÑA. jb@hytta.de Weiterverwendung der Scans und des digitalen Textes nur mit ausdrücklichem Einverständnis.


Zur Technik der Spiritusgeräte zur damaligen Zeit siehe auch:
"Der moderne Installateur" von 1903
Brockhausartikel über
"Spiritusglühlampen" von 1904
Testbericht über verschiedene Spirituslampen von 1907
Frühform eines Spiritusglühlichtbrenners von F.H. Aschner
Hasag Spezialpreisliste für Spiritusgeräte von 1910