Spiritusglühlampen

"Spiritusglühlicht. Durch Erfindung des Gasglühlichts durch Auer von Welsbach wurde es ermöglicht, auch den ohne leuchtende Flamme brennenden Spiritus zu Beleuchtungszwecken zu verwenden. (...) Es giebt sowohl Spiritusglühlichtlampen für größere Lichteffekte (bis 700 Kerzen), welche auf kleinen Bahnhöfen, in Gärten, Hallen und zur Straßenbeleuchtung verwendet werden, als auch Tischlampen für Lichtstärken von 30 bis 80 Kerzen. Das allen Lampen gemeinsame Princip beruht darauf, daß der Spiritus durch die abziehende Verbrennungswärme verdampft und dieser Dampf mit Luft gemischt verbrannt wird, um einen Glühkörper zu erhitzen und zum Leuchten zu bringen. Um die Lampen in Funktion zu setzen, ist es erforderlich, die Verdampfung erstmalig durch Anwärmung mittels einer kleinen Hilfsflamme oder durch Verbrennung eines geringen in eine sog. Vorwärmschale gebrachten Quantums Spiritus einzuleiten. Die Zuführung des Spiritus zum Vergaser erfolgt entweder wie bei den Petroleumlampen durch einen Docht, wie meist bei Tischlampen, oder durch Zufluß aus dem höherliegenden Spiritusbehälter, wie bei größeren Lampen, in welch letzterm Falle jedoch ein zu rascher Zufluß durch eine in das Vergaserrohr eingebrachte Asbestpackung gehemmt wird. Anstatt Asbest werden in jüngster Zeit auch Drahtbündel angewendet. (...)

Die Tischlampen sind äußerlich den Petroleumlampen ähnlich. Fig.2 zeigt den sogenannten "S." Brenner von Saulmann in Berlin, welcher 15.Nov.1902 auf telegr. Befehl Sr. Maj. des Deutschen Kaisers dem Könige von England in Sandringham vorgeführt wurde.
Spiritusglühlicht 2

Um diesen Brenner zu entzünden, dreht man am Griffe c nach rechts, wodurch mittels eines kleinen Pumpenkolbens ein wenig Spiritus in eine Vorwärmschale gedrückt wird, welcher bei d entzündet wird. Die im Inneren brennende Flamme erwärmt eine sog. Vergaserretorte, deren Erwärmung später nach dem Erlöschen des in der Vorwärmeschale brennenden Spiritus durch Wärmeleitung vom Glühkörper aus erfolgt. Der in den Vorratsbehälter tauchende Docht dient dazu, den Spiritus in die Vergaserretorte empor zu saugen. Nach Entzünden der Hilfsflamme überläßt man den Brenner sich selbst; nach etwa zwei Minuten brennt die Hauptflamme, während die Hilfsflamme erlischt. Das Auslöschen der Lampe erfolgt durch Drehen des Griffes nach links. Dabei schiebt sich in die Düse des Bunsenbrenners ein kleines Nadelventil, welches nicht nur den Gasstrom absperrt, die Flamme verlöschen läßt und die weitere Verdampfung hindert, sondern gleichzeitig die Düse reinigt und die Pumpvorrichtung für den nächsten Gebrauch in Bereitschaft versetzt. Dieser Brenner wird in den folgenden vier Größen hergestellt und kann auf jede Petroleumlampe mit entsprechendem Gewinde aufgeschraubt werden.

Nummer des BrennersGewindeLichtstärke in NormalkerzenSpiritusverbrauch pro StundeUngefähre Brenndauer für 1 l Spiritus
I.10''' (ca. 30 mm)ca. 30ca. 50 g17 Stunden
II.14''' (ca.40 mm)ca. 40ca. 75 g11 Stunden
III.14''' (ca. 40 mm)ca. 65ca. 100 g9 Stunden
IV.14''' (ca. 40 mm)ca. 85ca. 125 g7 Stunden

(...) Die Spirtusglühlichtlampen für Innenbeleuchtung haben gegenüber den gewöhnlichen Petroleumlampen den Vorzug geringerer Wärmeentwicklung und Wärmestrahlung bei großer Helligkeit, sowie den Vorzug geruchlosen Brennens. (...)

Nachstehende Fig.1 zeigt eine windsichere Hängelampe für etwa 100 Kerzen Leuchtkraft im Schnitt. Es ist dies die Azett-Schwert-Lampe der Firma Schuchhardt & Co. in Berlin, welche 1900 durch Verleihung des Kaiserpreises ausgezeichnet wurde.
Spiritusglühlicht 1

Der Spiritusbehälter n wird durch die Füllöffnung u mit reinem, entfuselten, denaturiertem Kartoffelspiritus von 86 bis 90 Volumprozent gefüllt. Der Behälter faßt etwa 3 l Spiritus. Wird nun der Hahn h geöffnet, so fließt eine kleine abgemessene Menge Spiritus durch das Röhrchen i in den Vorwärmer g, während gleichzeitig der Zufluß des Spiritus durch das Rohr k in das Verdampferrohr a geöffnet wird. Der Flüssigkeitsstand in diesem stellt sich zunächst gleich hoch wie im Behälter. Wird nun der Spiritus in dem ringförmigen Vorwärmer g bei der Zündklappe l entzündet, so beginnt der im Rohre a befindliche Spiritus zu verdampfen; die Dämpfe gelangen durch das Rohr d zum Bunsenbrenner und entzünden sich nach Verlauf von etwa zwei Minuten an der Vorwärmerflamme, während diese selbst alsdann erlischt. Nun besorgen die durch den Glascylinder z entweichenden Verbrennungsgase die Erwärmung des Verdampfers a. Die in demselben sich bildende Dampfspannung drängt einerseits die Flüssigkeit soweit zurück, daß ein Sieden derselben und eine fehlerhafte stoßweise Vergasung vermieden wird, andererseits erzeugt sie den zum richtigen Funktionieren des Bunsenbrenners nötigen Dampfdruck. Im unteren Teil des Verdampferrohrs a befindet sich die gleichzeitig als Reguliervorrichtung und als Filter für den zufließenden Spirtus dienende Asbestpackung, welche bei b ausgewechselt werden kann. Der anfangs in den kühlen Rohren sich kondensierende Spiritusdampf sammelt sich in der Schale g1 und wird beim Anzünden mit verbrannt, wodurch auch der Brenner vorgewärmt wird. Bedingung für ein richtiges Funktionieren dieser Lampen ist:
1) Vollkommene Dichtheit aller Lampenteile;
2) Reinhaltung und gute Instandhaltung aller Teile, besonders der Asbestpackung, des Brenners und Glühkörpers;
3) Verwendung eines reinen, 86-90 prozentigen Spiritus, welcher wasserhell ist; keine Rückstände hinterläßt und mit einem Mittel denaturiert ist, welches bei 60-80° siedet und gleichfalls ohne Rückstände verdampft;
4) aufmerksame Bedienung.
Insbesondere ist zu beachten, daß der einmal geöffnete Hahn h nicht geschlossen und gleich wieder geöffnet wird, weil sonst neuerdings Spiritus in den Vorwärmer gelangt; auch darf während des Brennens niemals Spiritus nachgefüllt werden. (...)

Der Brennstoffverbrauch betrug nach angestellten Versuchen für eine Lampe von 235 Normalkerzen 0,28 l pro Stunde, also pro 100 Kerzen Helligkeit 0,12 l. (...)"

Aus "Brockhaus' Konversations-Lexikon" Siebzehnter Band, Leipzig 1904
 

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